Children-Prüfungen: 2 Systeme ergänzen sich

di Katrina Wüst

Es waren deutsche Trainer, die eine Veränderung beim Richten von Children-Prüfungen forderten. Die Grundausbildung – so argumentierten sie zu Recht – muss schon früh an der Basis gefördert werden, und besonders die U 14 Reiter sollten mehr als bisher nach ihren reiterlichen Fähigkeiten beurteilt werden und nicht so sehr von der Qualität ihrer Pferde abhängig sein. Die FEI hat diesen Vorschlag begeistert aufgegriffen und schnell umgesetzt, so dass es seit dem Jahr 2020 im internationalen Dressursport eine Art Doppelstrategie der Richtsysteme gibt: Einerseits das ‘technische’ Richtverfahren nach Notenbogen, bei dem der Ritt wie gewohnt in Einzelnoten aufgeteilt und nur von dem C-Richter bewertet wird (bei Championaten von zwei weiteren Kollegen an der kurzen und langen Seite), und andererseits das gemeinsame Richten von zwei Richtern an der langen Seite, die die unten beschriebenen vier Kriterien zugrunde legen, wenn auch etwas anders strukturiert. Großer Vorteil: die Ritte werden sowohl von der kurzen als auch von der langen Seite beurteilt, und so kann man auch Mängel wie zum Beispiel enge Hälse schnell erkennen. Insgesamt vergleichbar dem Format der 7-jährigen Dressurpferde, wo es ebenfalls eine so genannte ‘technische’ und eine gemeinsame ‘Qualitätsnote’ gibt, deren Ergebnis – jeweils aufaddiert und in Prozente umgerechnet – am Ende durch Zwei geteilt wird.

Prio Nr. 1: Gutes Reiten

Während in allen unteren Altersklassen die Richter auch beim Richten nach Notenbogen ihr Augenmerk vermehrt auf eine sichere Sitzgrundlage und die Harmonie der Vorstellung legen sollten, muss leider festgestellt werden, dass diese Kriterien in der Vergangenheit nicht immer Priorität Nr. 1 waren … besonders wenn sehr ausdrucksvolle Pferde vorgestellt wurden. Umso wichtiger ist in Children Prüfungen die Beurteilung durch die beiden so genannten ‘Qualitätsrichter’, meist bei E, die die unten beschriebenen vier Kriterien umfasst.

Auf der Website der FEI unter https://inside.fei.org/fei/disc/dressage/useful-docs und weiter bei “Guidelines for Judging the ‘Quality of Riding Mark’ in Children Competitions” werden nicht nur die einzelnen Kriterien genau erläutert, sondern man findet eine Tabelle zur korrekten Notenhöhe und auch, was als Basisfehler und was als kleiner Mangel gilt.

1. Sitz und Position des Reiters

            Der Sitz wird sehr genau beschrieben, der Richter sollte jedoch drauf achten, dass der   Reiter nicht nur ‘schön’ zu Pferde sitzt, sondern dass sein Sitz gleichzeitig Einwirkung erkennen lässt, also ‘effektiv’ ist.

            Tipp: Gleich zu Beginn der Prüfung – im Trab – auf den Sitz achten, da erkennt man am   meisten!

2. Effektivität der Hilfengebung

            Die Richter bewerten hier die reiterliche Einwirkung auf das Gerittensein des      Pferdes, d.h. ob die Hilfengebung feinfühlig, diskret und unabhängig vom Sitz ist und das Pferd gemäß der Skala der Ausbildung vorgestellt wird. Soll heißen: ist der Takt       erhalten, der Rücken losgelassen schwingend, die Hinterhand aktiviert, die        Anlehnung sicher gegeben, das Pferd in sich gerade gerichtet und genügend             versammelt wenn erforderlich? Darüber hinaus wichtig: zeigt das Pferd eine sichere,     möglichst lektionsfehlerfreie Runde?

            Tipp: Werden Kernlektionen (Schenkelweichen, Kurzkehrt, einfache Wechsel,     Außengalopp) mehr als einmal deutlich fehlerhaft gezeigt, kann die Note für die Hilfengebung nicht mehr im ziemlich guten Bereich liegen, auch wenn das Pferd            ansonsten effektvoll vorgestellt wurde.

3. Korrektheit

            Diese Note spiegelt die Präzision der Vorstellung. Gedanklich der ‘Effektivität der           Hilfengebung’ verwandt, zielt sie allerdings weniger auf das Gesamtbild ab als      vielmehr auf das Detail, wie z.B. auf eine korrekte Grußaufstellung mit Zügeln in einer Hand, die Ein- und Ausleitung der Lektionen, auf klare Übergänge, sauber durchrittene   Ecken und präzise Hufschlagfiguren sowie die Ausführung der Lektionen am             vorgeschriebenen Punkt. Wichtig auch das genaue Einhalten der verlangten Tempi wie beim Wechsel zwischen Arbeitstempo und Versammlung oder beim Mittelschritt, wo   ein großer starker Schritt mit vier Hufbreit Übertritt und einem lang-gedehnten Hals     nicht gefragt ist, auch wenn mancher Reiter damit zu punkten hofft. Bitte immer auch            die Schritte beim einfachen Wechsel zählen! Alles was unter drei bzw. über fünf ist,      ändert den Schwierigkeitsgrad, weil entweder kaum Schritt gezeigt wurde, oder eine    zu lange Schrittphase das Angaloppieren erleichtern kann.

            Tipp: Immer wieder denken Reiter, dass ein korrektes Überstreichen nur bedeutet,       die Hände demonstrativ hoch über den Mähnenkamm zu halten, ohne die   Anlehnung sichtbar aufzugeben. Hier sollte der Richter einen schnellen Blick auf die      Reiterhände werfen und darauf achten, dass der Zügel wirklich kurz durchhängt.

4. Gesamtbeurteilung

            Die Note für die Gesamtbeurteilung setzt sich aus 1. der Harmonie der Vorstellung        und 2. der Korrektheit der Gangarten zusammen. D.h., anders als bei den anderen       drei Kriterien zuvor fließt hier auch die Bewertung der Grundgangarten geringfügig       mit ein, denn sie prägen den Gesamteindruck. Die      Idee ist, dass ein von Hause aus        wenig schwingendes oder nicht immer voll balanciertes Pferd, eventuell noch mit         Problemen im Schritt behaftet, hier keine herausragende Beurteilung erfahren kann,    auch wenn der Reiter es nach den Gegebenheiten präzise vorgestellt hat.

            Tipp: Auch auf das dritte Kriterium achten: Die Fähigkeit des Reiters, das Pferd   bestmöglich vorzustellen. Nicht der passiv-schöne Sitz ist gefragt, sondern das Gefühl für ein angemessenes Tempo und die Fähigkeit, die Höhepunkte des Pferdes      herauszuarbeiten.

Fazit: Auch wenn alle vier Kriterien gleichermaßen in die Bewertung einfließen, so muss die Note für die Effektivität der Hilfengebung als Schlüsselnote für die gesamte Beurteilung angesehen werden. Ist das Pferd nicht sicher an den Hilfen und wird es nicht gemäß der Skala der Ausbildung vorgestellt, so werden auch die Noten für die Präzision und für den Gesamteindruck beeinträchtigt sein.

Sind große Unterschiede zwischen den beiden Richtsystemen legitim?

Ein klares Ja! Dieses Richtsystem ist das Beste aus zwei Welten. Aber die Welten sind unterschiedlich. Wir alle wissen, dass der Hebel beim gemeinsamen Quality-Judging viel größer ist – nach beiden Seiten. Wirklich überzeugende Vorführungen werden oft mit hohen 8er-Noten oder besser bewertet, was auf dem Notenbogen kaum erzielbar ist. Es hat sich immer gezeigt – bei den Children ebenso wie bei den Prüfungen für 7-jährige Dressurpferde – dass Spitzenleistungen, die im 9-er Bereich oder höher liegen, zu einer gemeinsam gerichteten ‘Qualitätsnote’ führen, die z. T. bis zu 15% über der technischen Note im Notenbogen liegen kann. Soll man deshalb einen 10-er Galopp bei der WM der Jungen Dressurpferde schlechter bewerten? Oder einem brillant reitenden U 14 Reiter nicht die verdienten Höchstnoten für seine Vorstellung geben? Ich meine Nein! Wir müssen damit leben, dass den beiden Richtverfahren unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe zugrunde liegen. Wir sollten allerdings darauf achten, diese Unterschiede im Vorfeld hinreichend zu kommunizieren, damit sie nicht zu Irritationen bei Reitern, Eltern, Trainern, Zuschauern und Medienvertretern führen. Hier wäre ein vorgegebener Sprechertext sinnvoll!

Children Prüfungen fördern die Reitkultur weltweit

Nach zwei Jahren internationaler Prüfungen und Europameisterschaften mit dem neuen Richtsystem lässt sich schon jetzt sagen, dass die Implementierung dieses Systems ein voller Erfolg ist. Reiter aus all den Nationen, in denen der Ponysport keine Rolle spielt (und das sind die meisten) sehen eine Möglichkeit, ihre jüngsten Reiter in den Sport zu bringen, die Leistungen sind weniger abhängig vom Scheckheft der Eltern und – als größter Fortschritt – die Grundlagen der klassischen Reiterei werden schon bei den Jüngsten weltweit besonders hervorgehoben und gefördert.

In diesem Artikel beinhaltet die maskuline Form gleichzeitig das Femininum.

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